Die Landwirtschaft in Oberdorla 1948/49
Die Maikäfer treten sehr stark auf. Das "Thüringer Volk" schrieb dazu:
Die abgetöteten Käfer sollte man unter Zusatz von Ätzkalk und Erde kompostieren. Sie verwesen dann zu einem vorzüglichen Dünger. 100kg Maikäfer liefern: 3,5kg Stickstoff, 0,5kg Kali und 0,6kg Phosphor. Die Käfer können aber auch an Geflügel und Schweine verfüttert werden, jedoch nur, wenn sie durch Überbrühen mit Wasser abgetötet worden sind. Lebende Käfer dürfen keinesfalls den Schweinen gegeben werden, da im Maikäfer ein für Schweine gefährlicher Eingeweidewurm, der sogenannte Riesenkratzer lebt. „Not macht erfinderisch!!!“
Der Mohnanbau wurde verstärkt durchgeführt.
Viehbestand im Ort:
118 Pferde, 687 Schweine, 466 Stück Rinder, 3000 Hühner, 945 Ziegen
Lebensmittelpreise 1948:
1 kg Zucker 33,00 Mark Da ist kein Komma falsch
gesetzt. Diese Preise
1 Brötchen 0,40 " sind Preise des freien Handels.
1 Paar Schuhe 210,00 "
1 Brathering 20,00 "
Doch die Lebensmittelkarten waren noch dünn. Ostern 1949 gab es eine einmalige Ostersonderzuteilung für Kinder von 400g Mehl und 1kg Obstkonserven.
Tagesration für einen Erwachsenen:
Brot : 350 Gramm Von diesen Rationen blieben die
Nährmittel: 20 " Menschen schön dünn. Allerdings ist
Zucker : 20 " die nebenstehende Ration eine Grund-
Marmelade : 30 " kartenration. Arbeitende erhielten
Fleisch : 20 " eine größere Ration.
Fett : 10 "
Monatlich : 125 " Kaffeeersatz
Die Ursache für die geringe Lebensmittelrationen war in der ungenügenden Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft zu suchen. Hier fehlte es an Zugkräften, in den nördlichen Bezirken noch mehr als in Thüringen. 1939 wurden auf dem Oberdorlaer Sportplatz und natürlich auch in anderen Orten die Pferde gemustert und eingezogen. Sie marschierten mit auf den Eroberungszügen der Nazis, oft waren sie die letzte Nahrungsreserve der eingeschlossenen Soldaten. In Oberdorla betrug die Zahl der Pferde vor 1939 ca. 150, 1949 waren es noch 118. Das Fehlen von Mineraldünger war eine der größten Ursachen für die ungenügenden Erträge. Traktoren gab es bis 1939 wenig, danach wurden für die Landwirtschaft keine mehr hergestellt. Erst 1949 begann die Produktion. Aus Brandenburg kamen die ersten Traktoren vom Typ Aktivist, aus Nordhausen kamen die Traktoren vom Typ Brockenhexe. Die fleißigen Zwickauer Autobauer bauten als erstes Fahrzeug den Traktor Pionier. Es war ein bescheidener Anfang, noch waren Teile der Produktionsstätten zerbombt. Es kamen nur sehr geringe Stückzahlen aus den Betrieben. Diese Traktoren kamen auf die Maschinenhöfe der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, die 1949 in MAS umbenannt wurden. Der Tarif der Maschinenausleih-station war bescheiden, es ging vorwiegend um die Hilfe für Klein- und Mittelbauern.
Tarife der Maschinen-Ausleihstation:
Der Tarif war nach Flächengröße der Landwirte gestaffelt, die Kleinbauern zahlten den geringsten Tarif.
Bearbeitungskosten für 1 Hektar in Mark:
Art der Arbeit: Grundtarif: 15% Abschlag: 30% Abschlag:
Getreidemähen
ohne Bindegarn: 16,- 13,50 11,-
Kartoffelroden: 29,- 25,- 20,-
Rübenroden: 15,- 13,- 10,50
Grasmähen: 8,- 7,- 5,50
Für das Ausleihen landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte in Mark pro Tag:
Bezeichnund d.landw.
Maschinen u. Geräte Grundtarif: 15% Abschlag: 30% Abschlag:
Gespanngrasmäher: 6,50 5,50 4,60
Getreidemäher: 8,00 6,80 5,60
Gespannbindemäher: 17,- 14,50 11,90
Heuwender u. Rechen: 2,- 1,70 1,40
Kartoffelroder : 8,- 6,80 5,60
Diese Arbeiten ohne bedienendes Personal.
Die Landwirte konnten diese Arbeiten auch in landwirtschaftlichen Erzeugnissen bezahlen. Dafür galten folgende Tarife:
Arbeitsart: Kosten für die Bearbeitung eines ha in kg.
Weizen Raps Weizen Raps Weizen Raps
Grundtarif 15% Abschlag 30% Abschlag
Getreidemähen
ohne Bindegarn: 16 3.5 13,5 3,0 11,0 2,5
Kartoffelroden 29 6,5 25,0 5,5 20,0 4,5
Rübenroden 15 3,5 13.0 3.0 10,5 1,5
Grasmähen 8 2,0 7.0 1,5 5,5 1,0
Das funktionierte recht gut. Für den Bereich Vogtei wurde im Gunzelhof eine Ausleihstelle der MAS Görmar eingerichtet.
1949 ernährte ein Beschäftigter in der Landwirtschaft 9 Einwohner, so gering war die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft damals. Die Arbeit in der Landwirtschaft war damals noch lukrativ, konnte man sich doch jeden Tag satt essen.
Freie Spitzen: Bauern erhalten für 50kg Mohn 400,-Mark, wenn sie diesen über ihr Soll hinaus verkaufen.
Über die Ernte, Zeitungsbericht der Zeitung "Das Volk" oder "Neue Zeit":
"Sie ließen sich nicht beirren. Günstig durch die warme Witterung ist die Einbringung der Ernte in unserer Flur so gut wie beendet. Der Bauer hat eine Zeit harter Arbeit hinter sich, die ihm in mancher Beziehung hätte erleichtert werden können. Gemeint ist hierbei besonders der Mangel an Bindegarn. Sensen und Flügel-maschinen kamen wieder zum Einsatz wie zu Großvaters Zeiten. Oder die Bauern mussten sich selbst das Bindegarn beschaffen, und diese Notlage wurde von gewissenlosen Elementen reichlich ausgenutzt durch unverschämte Forderungen. Die Bauern sind darüber wohl verärgert, haben sich aber trotzdem nicht davon abhalten lassen, die Ernte möglichst schnell und verlustlos einzubringen. Durch unermüdliche zusätzliche Arbeit, begünstigt durch das schöne Wetter, ist ihnen das auch gelungen. Unsere Bauern haben aber nun ein Recht darauf, zu fordern, dass die Schuldigen an diesem Versagen festgestellt und zur Rechenschaft gezogen werden".
Immer noch kamen aus den Nachbarorten, besonders aber aus der Stadt Menschen, die Lebensmittel gegen Hausrat oder Bettwäsche eintauschen wollten. Im Ort haben sich einige Familien einen traurigen Ruhm erworben, sie machten aus der bitteren Not der Menschen für sich ein Geschäft. Das waren aber meistens Familien, die von der Not des Krieges nicht oder kaum betroffen wurden. Menschen, die eine Tischdecke hunderte Kilometer aus der alten Heimat mitgebracht hatten, weil sie ein Andenken war, tauschten solch ein Stück für einige Lebensmittel ein, oft nur für einige Kartoffeln. Die Dörfer stellten zu dieser Zeit Wachen in den Fluren auf. Es wurde jede Menge gestohlen. Am Abend um 8 Uhr trafen sich die eingeteilten Wächter und patrouillierten durch das Feld. Geschnappt wurde kaum einer, wer auf Nachternte ging, hatte gewöhnlich ein Fahrrad bei sich, die Wächter aber liefen zu Fuß. Und wenn schon, wurde mal ein armer Teufel geschnappt, so wurde wohl auch einmal ein Auge zugedrückt. Doch es gab auch Diebe, die nicht nur aus Hunger in der Nacht losgingen. 1950 hatte ich im Flurteil Sträßchen 8 Ar Mohn angebaut. Am Abend hatte ich mich vom Reifezustand überzeugt. Als ich am nächsten Morgen hin kam, konnten wir nur noch eine kümmerliche Nachlese halten. Handwagenspuren waren vorhanden, die Reifen waren mit Tüchern umwickelt, damit die Fahrt durch den Ort geräuschlos ging. Ergriffen wurde der oder die Täter nicht. Das war ja auch kein Einzelfall.
Aufzeichnung von Paul Karmrodt